1. Richtet auf des Heilands Leiden
die Vernunft ihr Denken hin,
mag sie wohl von außen weiden
sich an eigner Dichtung Sinn;
oder kommt es hoch, so kann
sie viel Klagen heben an
über Christi Pein und Schmerzen:
doch es geht ihr nicht von Herzen.
2. Aber meines Geistes Sehnen
zielt auf die Gemeinschaft hin,
stets zum Sterben zu gewöhnen
den so tief verderbten Sinn.
Mir soll Christi Schmach und Pein
nicht ein rührend Bild nur sein;
nein, ins Herz will ich ihn schließen,
seines Todes Kraft genießen.
3. Dies Geheimnis ist verborgen
und als Torheit angesehn;
aber meine größten Sorgen
sollen auf dies Wunder gehen,
daß nur Christi Tod in mir
durch Ersterben für und für
neues Leben zeugt und bringet,
im Gericht den Sieg erringet.
4. Drum in meines Herzens Grunde
trag ich ihn, den Seelenfreund,
der zum ewgen Gnadenbunde
mit dem Glauben sich vereint
und durch seines Todes Kraft
neues Wesen in uns schafft,
wie die Rosen in dem Lenzen
nach dem Tod des Winters glänzen.
5. Dies drückt mich in Hoffart nieder,
in Betrübnis hält´s empor,
gib in Schwachheit Stärke wieder,
aus Verzweiflung zieht´s hervor,
hält mich zwischen Lieb und Leid
in der rechten Mäßigkeit;
ja, ich find die tiefste Stille,
wenn am Kreuze hängt mein Wille.
6. O geheimnisreiche Liebe,
die sich im Verborgnen schenkt,
wecke neue Lebenstriebe,
wenn mein Sinn zum Kreuz sich lenkt!
Alle Kraft und alles Heil
deines Leidens sei mein Teil;
alles andre mag vergehen,
bleibt dein Kreuz nur in mir stehen.
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